Das Schulzentrum Steinhude hat als erste deutsche Schule die Auszeichnung „Weltethos Schule“ erhalten. Dies hat weit über die Grenzen Niedersachsens hinaus für Aufmerksamkeit gesorgt. Mit der Auszeichnung verpflichtet sich das Schulzentrum den Geist des Miteinander und Füreinanders im Sinne der Weltethos Idee zu leben. Um Schüler in Deutschland für das Thema zu sensibilisieren und sie zu motivieren sich für eine neue Form des Miteinanders einzusetzen initiierten sie mit ihrer „Initiative Weltethos Steinhude“ an verschiedenen deutschen Schulen Weltethos Projekte. Drei Schulen aus Steinhude und 3 Schulen aus Hannover haben daran teilgenommen. Die Steinhuder Schulen stellten 37 Weltethosprojekte auf die Beine und wurde als erste Weltethos Schule (First global ethic school – weltweit)von der Stiftung Weltethos Tübingen ( Hans Küng) zertifiziert. Projekte wie die Weltethos-Arche, Plant for the planet oder Swim for Help ( Schüler schwammen 290 km für tibetische Kinder was 6500 Euro Spendengelder erbrachte) sorgten für großes Aufsehen.
Dr.Hobert, was bedeutet für sie Weltethos
Weltethos ist die Vision eines globalen Bewußtseinswandels hin zu einem friedlicheren Zusammenleben das auf Achtsamkeit und Mitgefühl für die Bedürfnisse des anderen basiert. Es ist eine Einladung und Ermutigung an jeden einzelnen von uns, sich zu engagieren und ernsthafter als bisher daran mitzuwirken das dass alle Menschen auf dieser Erde ein lebenswertes Leben führen können. Damit diese Vision Wirklichkeit wird sollte ein Geist des Miteinanders und Füreinanders an die Schulen getragen werden. Im Mittelpunkt steht dabei der Mut und die Freude an sozialer Verantwortung.
Worum geht es bei dem Projekt Weltethos in Steinhude?
Zusammen mit meinem Freund Geshe Gendun Yonten und einer vielzahl engagierter Steinhuder Bürger haben wir vor 2 Jahren diese Idee geboren. Dabei geht es zunächst einmal darum, dass Schüler die Erfahrung machen, wie viel Freude es bereitet und wie erfüllend es ist, wenn man sich gemeinsam mit anderen mit etwas beschäftigt, das einen Gemeinnutzen hat und die Aufmerksamkeit auf etwas lenkt, das Bedeutung für alle Menschen hat. Die Weltethos-Projekte hier in Steinhude zeigen, wie im Zusammenspiel zwischen Schülern, Eltern und Lehrern Neues einen Weg finden kann. Teamwork und Begeisterung für die Sache waren dabei die wesentlichen Motoren, die erstaunlichen Resultate möglich machten. Schon bei den Projekten wurde für jeden deutlich, wie sehr wir Menschen alle aufeinander angewiesen sind, egal ob es um globale Probleme, Herausforderungen vor Ort oder alltägliche Probleme im zwischenmenschlichen Bereich geht: Wir können sie nur gemeinsam lösen. Der Schlüssel ist ein neues Wir-Gefühl das auf Achtsamkeit und Mitgefühl beruht.
Welcher Herzenswunsch treibt sie an ?
Ich wünsche mir, das Kinder egal welcher Kultur oder Religion sie angehören, gleich ob sie begabt sind oder durch ein Handicap eingeschränkt sind, in ihrer Einzigartigkeit wahrgenommen, geachtet und gefördert werden. Das sie durch ein ganzheitliches Lernangebot lebensnah mit Kopf und Herz ihre Talente und Entwicklungschancen optimal entfalten können und dabei die Entwicklung von Achtsamkeit und Mitgefühl einen besonderen Stellenwert einnimmt. Im besonderen wünsche ich mir das Kinder auf Lehrer, Eltern und bewußte Menschen treffen, die sie unterstützen und inspirieren Mut und Freude an sozialer und ökologischer Verantwortung zu entwickeln.
Bedeutet Weltethos auch die Realität der menschlichen und ökologischen Ressourcenausnutzung anzugehen
Wir zerstören unsere Lebensgrundlage und schauen dabei weg, so als wären wir alleine und hätten zudem zwei Planeten Erde zur Ausbeutung zur Verfügung. Unsere Zukunft wird wesentlich davon abhängen, wie wir uns heute als Menschen und Vorbilder unserer Kinder verhalten und wie wichtig es uns ist, gemeinsam dazu beitragen, dass alle Menschen auf dieser Erde ein lebenswertes Leben führen können. Dazu muss ein Geist des bewussten Hinschauens auf die Mißstände statt des Wegschauens an die Schulen getragen werden. Wirkliche Weiterentwicklung basiert nicht auf der immer wiederkehrenden Reflexion der Vergangenheit, sondern auf dem Erfühlen, Erspüren und dem „in die Gegenwart-Bringen“ von zukünftigen Möglichkeiten . Mädchen und Jungen, die heute geboren werden, werden bis in das nächste Jahrhundert hinein Erdenbürger sein. Wir wissen heute, dass 65 % der Schulanfänger, wenn sie mit der Schule fertig sind, einen Beruf ergreifen werden, den es heute noch gar nicht gibt. Daher wird sich unser gegenwärtiges Lehren und Lernen vor diesem Zeitraum zu verantworten haben. Wir brauchen Querdenker, die neues möglich machen und auf veränderte Rahmenbedingungen flexibel reagieren können und mit ökologischer, ökonomischer - ja künstlerischer - Fantasie antworten können. Ich wünsche mir aufgeklärte Schüler, die ihren eigenen Wert nicht über Markenklamotten definieren, sondern die ihr Kaufverhalten reflektieren und stolz darauf sind, mit dem, was sie tun, einen Beitrag für eine bessere Welt zu leisten bzw. dabei den Gedanken des ökologischen Fußabdrucks im Hinterkopf tragen.
Muß der Wandel nicht aus der Gesellschaft selbst heraus kommen und sind da nicht alle gefordert
Eine Gesellschaft hat so viele Talente, wie sie finden und entwickeln will. Unsere zukünftige Kraft können wir in Deutschland nur aufrecht erhalten, wenn wir die Potentiale, die in allen Schülern vorhanden sind, tatsächlich wahrnehmen und ihnen mehr Gelegenheit als bisher geben sich zu entfalten. Von Prof. Hüther gibt es dazu das Zitat: „Wenn du einen Sumpf trocken legen willst, dann darfst du nicht die Frösche fragen…“ Der Umschwung wird niemals von der Politik oder gar der Ministerialbürokratie kommen – er kann nur aus der Gesellschaft heraus, sprich von der aktiven Elternschaft in die Schulen getragen werden. Wie dies gelingen kann hat die Initiative Weltethos vorgemacht. Bbesonders das Steinhuder Gymnasium hat von Anfang an große Offenheit gezeigt und ist hier vielen anderen Schulen voraus. Auch wenn die Neustädter Schulen ebenso wie die Wunstorfer Schulen der Kernstadt ihre Teilnahme an dem Projekt trotz mehrfacher Einladung von uns leider nicht angenommen haben, so sind doch neben den 3 Steinhuder Schulen auch drei Schulen aus Hannover mit in das Projekt mit eingestiegen und haben in ihren Schulen erstaunliche Beiträge zum Weltethos auf die Beine gestellt (Humbold Schule, Leibnitz Gymnasium, IGS list).
Welche Bildungsidee steht hinter Weltethos
Schüler können über sich hinauswachsen, wenn sie in der richtigen Weise herausgefordert werden und sie viel stärker als bisher als Team beweisen müssen. Bislang ungenutztes Potential können sich leichter entfalten, wenn die Rahmenbedingungen dazu durch mehr realitätsbezogene Projekte geschaffen werden. Richard David Precht, machte kürzlich den Vorschlag für das Unterrichtsfach „Klimawandel“. Darunter könnten sich dann alle Fächer von Biologie, Physik,Chemie, Politik usw. realitäts-und sinnbezogen eingliedern. Solche Initiativen sind zukunftsweisende Lösungsvorschläge.
Die neue Bildungsvorstellung soll dazu beizutragen, das Schüler Sensibiliisert werden für das wohlergehen anderer und dass alle Menschen auf dieser Erde ein lebenswertes Leben führen können wenn die individuelle soziale Verantwortung erkannt wird. Weltethos regt zum Handeln an für ein verantwortetes Leben, für Frieden, Gerechtigkeit und Achtung vor Mensch und Tier.
Schulen brauchen dafür eine geistige Mitte, ein Ethos, einen Geist der Verständigung, des Miteinanders und der Verantwortung. Sie muss für etwas stehen. Für Lehrer wie Schüler muss erkennbar sein, was zu lieben und was zu verachten ist. Weltethos heißt für mich vor allem: Verantwortung für Kinder und Verantwortung für unseren Planeten. Wir sind gefordert Schülern zu helfen eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln und zwar auf der Grundlage eines globalen, offenen, toleranten und verantworteten Denkens und Handelns im Hinblick auf die Zukunft.
Welche Rolle spielen die anderen Kulturen und Glaubensvorstellungen ?
Die Beschäftigung mit anderen Kulturen und religiös fremdartiger Sichtweisen fördert Offenheit und die Erkenntnis, dass die heutige Kindergeneration bereits jetzt aus Weltbürgern und nicht mehr nur aus jungen Menschen verschiedener Nationen besteht. Die Aneignung interkultureller und interreligiöser Kompetenz ist eine der wichtigsten Zukunftskompetenzen für jeden Menschen , für die Gestaltung einer friedlichen , humanen, solidarischen Welt. Hier geht es auch darum, zu einem Miteinander und Füreinander zu finden, um die anstehenden globalen Probleme gemeinsam zu lösen. Es geht um reale Begegnungen mit anderen Kulturen und Religionen, um Verstehen und um das Bemühen um Verständigung, das durch nichts zu ersetzen ist.
Wie sollte die Schule der Zukunft konkret aussehen ?
Die Schule der Zukunft bereitet auf ein Leben vor, das wir heute noch gar nicht kennen, auf Technologien, die erst morgen erfunden werden und auf Herausforderungen, von denen wir noch gar nichts ahnen. Sie will, dass Kinder Mut zu und Freude an sozialer und ökologischer Verantwortung entwickeln. Hier soll ein Geist der Offenheit und des gegenseitigen Vertrauens leben, der Kooperation, Teamgeist und eine faire Feedback-Kultur fördert. Kinder mit Begabungen aller Art, auch Kinder mit Handycap sowie Kinder aus verschiedenen Kulturen sollen sich in der Schule angenommen fühlen und gemeinsam Begeisterung und Entdeckerfreude erleben.
Damit Kinder den Mut entwickeln können, ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten zum Leuchten zu bringen und Wegweiser für andere zu werden, sind die Erwachsenen gefordert, Zeiten und Orte für selbst wirksames, zukunftsorientiertes Handeln zu schaffen, das heißt Möglichkeiten, in denen Visionen nicht nur gedacht, sondern auch umgesetzt werden können. Die schulischen Weltethos-Projekte, die Ausstellung »Weltreligionen-Weltfrieden-Weltethos« und das Jugendfest sind ein adäquates Projekt
Was ist der wichtigste Appell an die Schüler
Ich möchte inspirieren und ermutigen: Schaut wachsam hin ,zeigt euch, engagiert euch , habt Mut , die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Alles ist möglich- jetzt!
Teile des Interviews erschienen in der HAZ 6/2013